Bei den Proben ist die Vorfreude schon von weitem zu hören. Und nach Betreten des Übungsraumes ist sie dann auch zu sehen. Menschen lachen miteinander, nehmen sich zur Begrüßung in den Arm – im gesamten Raum ist Vorfreude hör- und spürbar. Sobald die Musik einsetzt wird es mucksmäuschenstill im Raum und alle Aufmerksamkeit richtet sich auf Tänzer und Tanzpädagoge Miguel Angel Zermeño. Am Anfang jeder Probe muss das Instrument gestimmt werden. Für Tänzer ist das Instrument: ihr Körper. Die Akteure, die für das Tanzprojekt Arche Noah proben, wissen, wie wichtig dieser Auftakt ist.
Mit Dehnungs- und Atemübungen Muskeln und Gelenke lockern. Sich auf anspruchsvolle Schrittfolgen und Bewegungsmuster des Choreographen Miguel Zermeño einlassen, das erfordert volle Konzentration und zwar 45 Minuten lang. Die Bewegungen der über 20 Männer und Frauen, allesamt Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen, werden zunehmend geschmeidiger und das Ankommen – für viele nach einem Arbeitstag – gelingt. Die Atmosphäre ist nach der Startphase gelöster, der Gesichtsausdruck weicher und der Gang aufrechter. „Toll gemacht“, Miguel Zermeño lobt die Akteure, die meisten bühnenerfahren durch die vielfältige Kulturarbeit der EVIM Behindertenhilfe. Die Männer und Frauen ganz unterschiedlichen Alters strahlen. Sie sind begeistert dabei. Für Bagrat J. aus der Reha-Werkstatt ist das Projekt genau richtig und eine große Bereicherung. Er ist einer von zwei Neuen in dieser Probe. „Das, was ich hier erlebe, macht mich gesund“, meint er lachend. Tanz und Theater interessieren ihn ganz besonders.
Aufführung:
Mittwoch, 22. Mai 2019, 19:30
im Sendesaal des Hessischen Rundfunks in Frankfurt.
Tickets unter www.reservix.de
Mehr Infos auf gemeinsam-die-welt-bewegen.de
Bevor Szenen geprobt werden, erläutert der Choreograph die Handlung: die Situation von Noah und seiner Familie, Noah‘s Bedrängnis und Aufbruch. Zermeño spricht eindringlich über die Verantwortung des Künstlers, Position zu beziehen. „Als Künstler sprechen wir über die Welt.“ Er nimmt die Akteure gedanklich mit und lässt sie Noah’s Situation nachempfinden. Er erzählt und deutet dabei die Choreographie an. Sensibilisiert die Akteure, wie sie das Miteinander in Noah’s Familie choreographisch umsetzen können: die Sorge der Mutter um die Kinder und das Teilen von Speis' und Trank. Er erreicht, dass die Akteure sich aktiv mit ihrer Rolle auseinandersetzen und über ihre Gefühle sprechen. Die Intensität dieser Momente zeigt, wie ernsthaft alle das Projekt mit gestalten und Teil eines großen Ganzen sind.
Zermeño als erfahrener Tänzer und Tanzpädagoge sieht die Fähigkeiten jedes einzelnen und setzt sie frei. Er sprudelt vor Ideen, wenn in einer weiteren Szene „die Löwen“ ihren Auftritt haben. Dargestellt werden sie auch von Johanna Grießfeller und Rainer Völke aus dem Wohnpflegehaus. Beide steuern ihren Rolli zur Musik aus dem „Karneval der Tiere“ sicher durch den Raum. An ihrer Seite schreiten majestätisch und bedrohlich zugleich weitere ‚Löwen‘. Die Arme weit vorgestreckt nehmen die Akteure bis in die Fingerspitzen ihre Rolle an. Wieder und wieder werden diese und alle anderen Szenen bis zur Perfektion geprobt, denn zur Aufführung am 22. Mai im hr-Sendesaal in Frankfurt am Main und in Begleitung des hr-Sinfonieorchesters muss jeder Part sitzen.